„Ein bisserl schimpfen, ein bisserl räsonieren“
Leserbriefe anno dazumal · Carl Ueberreuter Verlag
- Carl Ueberreuter Verlag
- Einband: Hardcover
- 160 Seiten
- ISBN: 978-3-8000-7834-9
Granteln, sudern, schimpfen – Diese Lieblingsbeschäftigungen der Wiener existierten schon vor mehr als hundert Jahren.
Das Buch ist eine Sammlung von Leserbriefen oder genauer gesagt Beschwerdezuschriften, welche die Wochenzeitung „Wiener Hausfrau“ in den Jahren 1909 bis 1915 erhalten und in der regelmäßigen Rubrik „Klaghansl“ abgedruckt hat. Das Wiener Bürgertum beklagt sich hier über Alltägliches, über kleine Missstände, die wir bisher weder im Geschichtsunterricht noch in TV-Dokus erfahren haben.
Was den Leuten damals ein Dorn im Auge war, stellt für die heutige Leserschaft eine unterhaltsame und kurzweilige Lektüre dar. Und manche Dinge haben sich seit damals auch gar nicht so sehr geändert …
Leseproben
Unangebrachte Zärtlichkeiten
25. September 1910
Zweimal habe ich jetzt in der Elektrischen das Vergnügen gehabt, mir vis-à-vis ein Liebespaar sitzen zu sehen, und war beide Male erstaunt, welch ein Mangel von Schicklichkeitsgefühl diese jungen, der Kleidung nach den besseren Ständen angehörenden Leute hatten. Das war ein Gedrücke und Geküsse, welches auf andere einfach widerlich wirkte und jedenfalls in der Elektrischen nichts zu suchen hat. [...]
Schwatzekatarrh
31. Dezember 1911
Man ist es um diese Jahreszeit beinahe schon gewöhnt und fügt sich seufzend darein, dass in Konzerten und Theatern rings um einen herum in schönster Einmütigkeit gehustet, geniest und sich geräuspert wird. Es ist eben die Zeit der Erkältungen und des Verschnupftseins; und es bleibt dem Hörer, der kommt, um sich ein paar genussreiche Stunden in den oben erwähnten Lokalen zu verschaffen, nichts übrig, als sich mit Würde in das Unvermeidliche zu fügen und etwa daneben noch bei sich selbst über die Torheit und Tücke der Menschen zu philosophieren, die verschnupft und erkältet Theatervorstellungen und Konzerte besuchen, von denen sie unter den Umständen selbst nichts haben, an deren Genuss sie nun aber auch noch die andern hindern wollen. [...]Kaffeehaus-Rücksichtslosigkeiten
17. Dezember 1911
Eine Unsitte, die leider vielfach verbreitet ist, möchte ich hier zur Sprache bringen, und zwar das Herausschneiden und Herausreißen von Modebildern aus den in Kaffeehäusern aufliegenden Modejournalen und Zeitschriften. Abgesehen davon, dass das eine Beschädigung fremden Eigentums ist, sieht es nichts weniger als schön aus, wenn man so ein zerfetztes Blatt in die Hand bekommt. Wie oft hörte ich schon den Cafetier darüber klagen! [...]